Putins Helfer by Guido Knopp

Putins Helfer by Guido Knopp

Autor:Guido Knopp [Knopp, Guido]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fach-/Sachbuch
ISBN: 9783751748513
Herausgeber: Quadriga
veröffentlicht: 2023-09-28T22:00:00+00:00


Das Sprachrohr

Es war ein Zeichen dafür, wie tief der einst weltweit hoch geachtete Chefdiplomat Russlands inzwischen gesunken war. Neun Wochen nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine, 1 . Mai 2022 : Außenminister Sergej Lawrow hatte als erstem westlichem Medium nach Kriegsbeginn dem italienischen Sender »Rete 4 « ein Interview gegeben, einem Kanal aus dem TV -Imperium des einstigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, einer der engsten Vertrauten Wladimir Putins im Westen. Eingeladen hatte die Talkshow »Zona Bianca«, deren Moderator Giuseppe Brindisi nicht unbedingt als Kenner der internationalen Politik gilt. Lawrow war aus Moskau zugeschaltet und konnte nahezu unwidersprochen seine Sicht der Dinge verbreiten, fast eine Dreiviertelstunde lang: Er monologisierte über den angeblichen Staatsstreich in der Ukraine nach den Protesten des »Euromaidan« und der Absetzung des russlandnahen Präsidenten Wiktor Janukowytsch 2014 , über die vorgeblich von fremden Mächten gesteuerte Wahl von dessen Nach-Nachfolger Wolodimir Selenskyi 2019 , über die Gräueltaten von Butscha, die keinesfalls von russischen Truppen verübt, sondern von den Ukrainern inszeniert worden seien, und natürlich über die angebliche »Nazifizierung« der Ukraine.

Da es der Moderator nicht tat, stellte sich Lawrow auch die entscheidende Frage gleich selbst: Wie könne es im Nachbarland diese Nazifizierung geben, da doch der ukrainische Präsident Selenskyi selbst jüdische Wurzeln habe? »Dass Selenskyi Jude ist, will nichts heißen«, erklärte Sergej Lawrow daraufhin in der für ihn typischen sonoren Stimmlage. »Wenn ich nicht irre, hatte Hitler auch jüdisches Blut, das bedeutet also nichts. Das weise jüdische Volk sagt von sich, dass die Juden selbst oft die größten Antisemiten sind.« Während der Moderator nur kurz die Stirn in Falten legte und diese Ungeheuerlichkeit sonst unkommentiert ließ, war der Aufschrei in aller Welt groß, vor allem in Israel. Lawrows israelischer Amtskollege Jair Lapid sprach von einer »unverzeihlichen, skandalösen Äußerung, einem schrecklichen historischen Fehler«, und forderte eine Entschuldigung. »Meinen Großvater haben nicht Juden umgebracht, sondern Nazis«, so Lapid, und empfahl Lawrow, in ein Geschichtsbuch zu schauen. »Die Ukrainer sind keine Nazis. Nur die Nazis waren Nazis. Nur sie haben die systematische Vernichtung der Juden vorgenommen.«

Der Leiter der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Dani Dajan, nannte Lawrows Äußerungen »absurd, wahnhaft, gefährlich und verachtenswert«. Auch in anderen westlichen Ländern sorgten Lawrows Äußerungen für Empörung. Der Sprecher des US -Außenministeriums, Ned Price, erklärte: »Es war die niedrigste Form von Propaganda, es war die niedrigste Form einer heimtückischen Lüge.« Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, verurteilte Lawrows Ausführungen als »schäbig«. Mit seinen historischen Unwahrheiten und absurden Nazivergleichen erweise sich Lawrow »erneut als zynischer Gefolgsmann von Herrn Putin, dessen Lügen er in die Welt trägt«.

Wie konnte es so weit kommen? Wie konnte ein in aller Welt geachteter und anerkannter Diplomat sich in einen Rüpel verwandeln, der sich widerspruchslos vor den Karren der Kremlpropaganda spannen lässt? Der wider besseres Wissen Lügen und Falschmeldungen verbreitet? Der sich nicht einmal zu schade ist, das Menschheitsverbrechen des Holocaust für seine Zwecke zu instrumentalisieren? Jahrelang hatte der stets mürrisch dreinblickende Lawrow im Westen zwar als harter, doch ebenso verlässlicher Verhandler gegolten. Doch nun verspielt er Woche für Woche mehr von dem



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